LUDWIGSFELDE - Ein Hauch Geschichte wehte am
Wochenende durch Ludwigsfelde. Genauer gesagt waren es blaue Abgaswolken von rund 200
IWL-Rollern, die zum 14. Motorrollertreffen ihre Geburtsstadt eroberten und den Ort mit
typischem Zweitakter-Aroma erfüllten. Bereits am Freitag kreisten die ersten Roller der
Typen Pitty, Berlin, Troll und Wiesel durch die Stadt. Am Samstag ging es in die
Ortsteile, wo kräftig gefeiert wurde und die Roller ein Highlight waren.
Am Samstagnachmittag starteten die 200 knatternden Schönheiten dann
zum Rollerkorso durch Ludwigsfelde. Angeführt von Polizei und Roller-Experte Manfred
Blumenthal wurde der Verkehr kurzzeitig lahm gelegt. Günter und Doris Widra nutzten den
Samstag zur Ausfahrt nach Berlin. Wir wollten ein Bild mit unserem Roller und dem
Brandenburger Tor, so Günter Widra. Dabei wurden die Ludwigsfelder Roller für die
Touristen schnell zum interessanteren Fotomotiv als die Berliner Sehenswürdigkeiten.
Die Japaner sind auf den Rollern herumgeklettert, das war eine Schau, freut
sich der Crimmitschauer. Doch auch bei der kleinen Ausfahrt zur Eisdiele kommen die Leute
und staunen über die Rollerschönheiten, die auch gern vererbt werden. So stammt der
Roller der Widras von Günters Vater. Der ist seit 40 Jahren im Familienbesitz und
noch original, so Günter stolz.
Jennifer Reinfrank aus dem anhaltinischen Könnern wuchs in einer
richtigen Rollerfamilie auf. Ihr Vater Klaus besitzt den ältesten noch existierenden
Pitty, ein Vorserienmodell mit der Produktionsnummer 26 aus dem Jahre 1954. Das
Fahren macht einen Riesenspaß und es schauen alle hinterher, berichtet Jennifer von
ihren Rollererfahrungen. Ihren Berlin hatte sie gemeinsam mit ihrem Vater restauriert, der
übrigens jedem seiner sechs Kinder einen Roller zum 16. Geburtstag schenkt. Er selbst
hatte seinen Pitty übrigens durch Zufall in einem Kneipengespräch gefunden, auch wenn
der Oldtimer nur noch zur Hälfte existierte. Den Roller hab ich in den letzten
sechs Monaten fertig gemacht, um hier damit dabei zu sein, erklärt er. Insgesamt
besitzt er 24 der Ludwigsfelder Roller, ein kleines Rollermuseum daheim.
Ein Highlight des Treffens war die Versteigerung eines aufwändig
restaurierten Rollers Typ Berlin von der Interessengemeinschaft Stadtroller. Rollerfans
aus ganz Deutschland hatten ein Jahr lang daran gearbeitet und das glänzende Ergebnis der
Stadt geschenkt. Auktionator war Veranstaltungsschirmherr Hennes Schulz. Der Berliner
Verleger machte Interessenten den Roller schmackhaft und trieb die bei 1000 Euro
gestartete Auktion voran. Die wurde ein Zweikampf zwischen Thüringen und Bayern, den Uwe
Seifert aus dem thüringischen Hetzdorf bei 3 600 Euro gewann. Da lag auch mein
Limit, erklärte er danach erleichtert. Dabei hatte er von der Auktion nichts
gewusst, sondern wollte sich nur mal die Geburtsstadt seines Rollers anschauen. Er selbst
besitzt einen Berlin im Originalzustand. Gemeinsam mit seiner Frau freute er sich
sichtlich über den Familienzuwachs. Der Auktionserlös geht an den Verein
Freunde der Ludwigsfelder Industriegeschichte, der gerade mitten in der Vorbereitung für
die offizielle Eröffnung des Museumsanbaus Ende September steckt. So kommt das Geld der
Ludwigsfelder Geschichte zugute, die an diesem Wochenende zu sehen, zu hören und zu
riechen war.
Von Mike Jentsch |