- IMPORT
AUS OSTBERLIN- |
mot Heft 8/61 |
|
|
| Aussichten = 0 |
|
| Man hat es unternommen, die derzeitige
Luxusausführung des Rollers Berlin" der Marke IWL (Industriewerke
Ludwigsfelde), Ludwigsfelde bei Berlin (Ost) auch in der Bundesrepublik anzubieten. Auf
Verkaufserfolge kann man nicht hoffen; ein sehr aktiver Händler kann vielleicht den einen
oder anderen absetzen, aber der Rollermarkt ist im ganzen schlecht, der Roller
Berlin" ist mit 1495. DM verhältnismäßig teuer, der Kaufinteressent
wird die Qualität mit Misstrauen betrachten und sich an den Techniker wenden, der ihn
zwar hinsichtlich der Qualität beruhigen kann, dafür aber überlegt, wie er sich
taktvoll zu der Konstruktion äußern soll. |
|
| Wer die Entwicklungsgeschichte des Rollers
Berlin" kennt, kann die Konstruktion verstehen, aber verstehen heißt nicht
unbedingt verzeihen. Wenn aus Zwangslagen heraus gewissermaßen um sechs Ecken konstruiert
werden muss, so mag das angehen, wo kein anderer Roller auf dem Markt ist, aber dem
Vergleich außerhalb dieses Marktes kann es nicht standhalten. So ist also der Roller
Berlin" bei uns ganz anderen Maßstäben ausgesetzt als in der DDR.. |
|
| Äußerlich fällt er nicht weiter auf; vorn
ähnelt er der Zündapp Bella, was sich zwangsläufig aus der Radgröße 3,50-12 und der
Frontverkleidung ergibt, hinten wirkt er steif und schwunglos; Schlitze und Zierleisten
sind linkisch angebracht wie bei einem Eigenbau, und die frei aus dem Scheinwerfer
sprießenden Seilzüge sind wir bei neuen Rollern nicht mehr gewöhnt. Technisches
Unbehagen erweckt die Tatsache, dass der ziemlich große Roller nur mit einem 150
ccm-Motor ausgestattet ist, er ist aber mit 131 kg (allerdings nicht von uns gewogen)
nicht schwerer als eine NSU Prima. Wirklich verwundert ist man dann aber, wenn man sich
die Triebwerksanlage und die Hinterradführung betrachtet. |
|
| Der Roller Berlin" entstand aus dem Typ
Wiesel", bei dem man vor Jahren den Motor des Motorrades MZ 125 (entsprechend
der früheren DKW RT 125), für einen Roller nutzbar machen wollte. |
|
| Diesen Motorblock erkennt man auch beim
Berlin"-Roller noch auf den ersten Blick, der Hubraum ist schon seit längerer
Zeit auf 150 ccm vergrößert, der Motor leistet 10 PS bei 4600 U/min. Das Gebläse sitzt
nicht auf der Kurbelwelle, wie bei solchen Motoren allgemein üblich, sondern direkt neben
dem Zylinder, Antrieb durch Keilriemen. Das wirkt nicht recht organisch, spart jedoch an
Motorbreite. Ist der Motor also der Verwendung im Roller auf diese Art gut
angepasst, so
ist man doch mit einem anderen Problem nur auf höchst aufwendige Weise fertig geworden:
Beim Einfedern des Hinterrades soll der Drehpunkt der Hinterradschwinge nach Möglichkeit
mit der Achse des Kettenritzels am Getriebe übereinstimmen oder jedenfalls
möglichst wenig abweichen , damit beim Einfedern nicht der Abstand zwischen dem
Kettenritzel und dem Kettenrand (am Hinterrad) wesentlich größer oder kleiner wird, denn
damit würde sich ja beim Ein- und Ausfedern die Kettenspannung dauernd ändern. Fast
überall findet man da sehr elegante Lösungen, bei denen zum Teil der Kettenkasten
zugleich als Hinterradschwinge dient. Beim Roller Berlin" sitzt vom Motorrad
her nun aber der Kickstarter in Verlängerung der Kettenritzelwelle, und aus dem Dilemma
der Raumprobleme kam man zu einer gewaltig aufwendigen Lösung mit doppelter Schwinge
beiderseits, dabei die untere aus Pressblech, die obere aus Rohr, hinten ein gegossenes
Zwischenstück für die Radführung. Das sind nicht weniger als acht Schwingenlager, und
hinzukommen noch die beiden Lagerungen des linksseitigen hydraulischen Stoßdämpfers eine
furchtbar umständliche Lösung des Problems, das sich aus einem prinzipiell ungeeigneten
Motorblock ergibt. Für das Jahr 1961 ist es ohne Zweifel eine technische Kuriosität.
Eigenartig ist auch die wenig Federweg versprechende Federung durch große Gummielemente
in der Form eines flachgedrückten, dickwandigen Rings, gelagert in einem gewaltigen
Gussstück oberhalb des Hinterrads. Der Anlage ist durchaus funktionell zu vertrauen, aber
man wundert sich eben doch, dass heute noch auf solche Art gearbeitet werden
muss,
während bei uns zum Beispiel die konstruktiv wahrlich nicht jugendfrische Bella
demgegenüber eine geradezu genial einfache Hinterradführung bietet. Vorn hat der
Berlin"-Roller Schraubenfedern und hydraulische Stoßdämpfung. |
|
|
|
| Ausstattung und Finish entsprechen westlichem
Standard, der Qualität ist voll zu trauen. Dennoch kann man dieses Rollers, der den
Berliner Bären als Markenzeichen führt, nicht froh werden. Er zeigt, dass bei allem
Können und allem Willen zur Qualität in dem tüchtigen Herstellerwerk doch einfach die
Möglichkeit fehlt, endlich einmal einen Motorblock wegzuwerfen, der niemals für einen
Roller gedacht war und aus dem sich konstruktive Komplikationen ergeben, die zu
aufwendigen Umgehungen führen mussten. Wir würden uns von Herzen freuen, wenn uns mit
dem gleichen Aufwand an Metall von drüben endlich einmal eine wirklich organische
fortschrittliche Konstruktion geliefert würde, und wir sind sicher, dass ein solches
Fahrzeug bei einigem Aufwand an Werbung, Kundendienstversorgung und vor allem niedrigem
Preis durchaus Erfolg haben könnte. Den Roller Berlin" auf unserem Markt für
1495. DM anzubieten, ist naiv. -PS- |
|
Quelle; Zeitschrift-
mot Nr.: 8-1961/ Archiv: Bert N. |
|
|
Copyright © iwl-stadtroller-berlin.de |
Stand: Januar 2009 |
|
|