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Wenn man eine gewisse Schwäche für kräftige
Motorräder hat, dann rücken zwangsläufig die Roller ein wenig in den Hintergrund, und
man ist geneigt, solche Fahrzeuge nicht ganz für voll zu nehmen. Bestärkt wird man in
dieser Meinung dadurch, dass das, was bisher an Rollermodellen bei uns in der DDR angeboten
wurde, zwar sehr brav, aber hinsichtlich der PS-Leistung nicht umwerfend war, 125 cm3
bleiben nun mal nur 1/8 Liter. Da kann weder Farbe noch Form etwas dran ändern. |
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Der erste Motorroller, der hinsichtlich seiner
Leistungen mehr überzeugte, war der Cezeta-Roller mit 175 cm3 Hubraum. Dieser,
nennen wir ihn "Reiseroller", hat jetzt im Motorroller "Berlin
"ein gleichwertiges
Gegenstück erhalten, der, obwohl mit der Kurzbezeichnung SR = Stadtroller versehen, mit
dem gleichen Recht wie der Cezeta als Reiseroller bezeichnet werden kann. |
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Damit ist eigentlich schon die
treffendste
Kurzcharakteristik für dieses neueste Fahrzeug unserer volkseigenen Industrie gegeben.
Mit der Weiterentwicklung der Industrie und mit der Ausweitung des Angebots an
Industriewaren wird man kritischer und stellt auch an Kraftfahrzeuge höhere Ansprüche.
Darauf hat sich ganz offensichtlich das IWL eingestellt und bringt ein recht
anerkennenswertes Fahrzeug auf den Markt |
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Das hervorstechendste an diesem Motorroller sind der
150-cm3 Motor, der maximal 7,5 PS leistet, und das Vierganggetriebe. In
allen anderen Teilen ist der Roller nicht so neu, da auf die bewährten Bauelemente des SR
56 Wiesel zurückgegriffen wurde Trotzdem unterscheidet sich der Roller
"Berlin", wenn man von äußerlich erkennbaren Merkmalen absieht, durch seine
"Lebendigkeit" und seine Laufruhe doch recht spürbar von seinem älteren
Bruder. |
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Wir schrieben als Schlusssatz in unserem
Wiesel-Test im Heft 11/57 unserer Zeitschrift: "...es durchaus für möglich,
dass
man den bewährten MZ-Motor in einer Motorrollerausgabe auf 150 cm3 bringt: Das
dürfte dann etwa einer Höchstleistung von gut 6 PS entsprechen, und damit wird
wahrscheinlich der Wiesel an die Fahrleistungen der MZ 125 heranreichen." |
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Genau das ist also eingetreten. Die PS-Leistung des
Neuen geht sogar einiges über unsere damaligen vorsichtigen Schätzungen hinaus. Der
Roller bringt eine (gestoppte) Spitzengeschwindigkeit von 83 km/h mit einer Besetzung von
einem Mann mit 183 halben kg und 183 cm Länge. Wenn das nichts ist? Die Prophezeiung von
1957 ist also im Hinblick auf Fahrleistungen wahr geworden. Aus der Spitze
lässt sich
erkennen, dass auch in der Beschleunigung einiges drin ist. Die Werte sind auf Seite 354
oben zu finden. |
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Damit ist der Roller nun nicht zu einem
Supersportfahrzeug geworden, und anspruchsvolle Fahrer werden vielleicht die Nase
rümpfen. Sollen sie doch! Für solche Fahrer ist der Roller nämlich nicht entwickelt und
gebaut worden. Halten wir doch einmal fest: Motorrollerfahrer oder -fahrerinnen sind
größtenteils Fahrzeugerstbesitzer. Sie wollen eben einen Roller und nichts
anderes. Sie
stellen an diesen Roller Ansprüche, die meistenteils noch nicht dem wirklichen
Leistungsvermögen eines solchen Fahrzeugs entsprechen. Was also da an
Höchstgeschwindigkeit, an Anzugsvermögen, an Beschleunigung und auch an
Bremsverzögerung drinsteckt, umfasst für derartige Fahrer noch spürbare Reserven. |
Wenn man flott fahren will,
muss man sehr genau
wissen, was man den Bremsen seines Fahrzeuges und was man den Fahreigenschaften zutrauen
darf, was man zu erwarten hat. Hier zuerst einmal die Bremswerte. Aus 40 km/h stand der
Roller bei Benutzung beider Bremsen nach 14 m. Das entspricht einer mittleren Verzögerung
von 4,4 m/s2. Die Fußbremse allein brachte 3,4 m/s2 bzw. 18 m
Bremsweg und die Handbremse 3,5 m/s2 bzw. 17,50 m Bremsweg. Die Messungen
wurden bei trockenem Wetter auf der Autobahn mehrmals in beiden Richtungen durchgeführt.
Bei nasser Straße sind die Bremswege natürlich erheblich länger. |
Nun die Fahreigenschaften. Obwohl an der
Vorderradaufhängung des Berlin gegenüber dem Wiesel fast nichts geändert wurde, nur der
Federweg wurde 10 mm länger, gab es bei böigen Seitenwinden mehrfach unangenehme
Überraschungen. Falls in Kurvenlagen ein Windstoß unter den vorderen Kotflügel fuhr,
dann zeigte der Roller Neigung, vorn wegzusetzen. Wenn man ihn also bis an die möglichen
Grenzen ausfahren will, dann sollte man sich in dieser Hinsicht in Acht nehmen. Die
einzige mögliche Erklärung für dieses Verhalten ist die, dass man mit dem Berlin eben
schneller fährt, die Bodenhaftung vorn geringer wird und dann das
bewusste unsichere
Gefühl bei stärkerer Luftbewegung in die Lenkung hineinkommen kann. Mindestens 80
Prozent aller Berlin-Fahrer werden das jedoch niemals spüren, weil ja für sie das weiter
vorn Gesagte gilt. Was die Federung anbelangt, so meinen wir, dass Fahrwerk des Rollers
durch den Einbau eines Stoßdämpfers hinten zwar verbessert worden ist, aber bei einer
von leichteren Leuten erreichbaren Geschwindigkeit von etwas über 85 km/h voll ausgenutzt
wird. Reserven sind dann fahrwerkseitig nicht mehr vorhanden. Wir hatten uns schon beim ID
05-15 (einem der ersten Pitty) vorn bald einen Stoßdämpfer einbauen lassen und damit
beste Erfahrungen gemacht. Beim Wiesel hatten wir diesen Dämpfer
vermisst, beim
"Berlin" fehlt er geradezu. Wir wissen, wie genau bei unser Industrie kalkuliert
wird, wir wissen auch, dass der Roller "Berlin" bei gleichem Preis wie der
Roller Wiesel einige nicht ganz billige Verbesserungen aufzuweisen hat, aber vielleicht
könnte man im IWL bei einer weiteren Verbesserung doch an diesen fehlenden Stoßdämpfer
vorn mit denken. |
Wenig angenehm sind in bestimmten Drehzahlbereichen
auftretende Schwingungen. Ob sich so etwas jemals ganz wegbringen
lässt, ist fraglich.
Bei einem Motorroller gibt es doch eine ganze Menge mehr Möglichkeiten als anderswo,
Schwingungen, die bei Fahrzeugen immer auftreten, zu verstärken und unangenehm fühlbar,
sowie hörbar zu machen. So kamen wir erst in den letzten Tagen drauf, woher das bei einer
bestimmten Drehzahl auftretende schwirrende Geräusch stammt, welches uns wochenlang
irritierte. Der linksseitig angebrachte Kippständer kommt im vierten Gang, etwa bei 70
km/h, ins Tanzen und schlug Wirbel gegen die gegossene Bodenplatte, die diese Geräusche
an die gesamte Karosserie weitergab. Wenn schon vom Werk dem Kippständer ein Gummischuh
überzogen würde, wäre dieser Übelstand beseitigt. |
Ein anderes Geräusch macht sich während der Fahrt
ebenfalls bemerkbar. Das ist der Pfeifton des in seiner Leistung gesteigerten Lüfters,
der seine Aktionsfähigkeit eben durch dieses Geräusch beweist. Um zu merken,
dass der
Keilriemen (bei uns bei 3500 km Fahrstrecke nie passiert) gerissen ist, bedürfte es also
kaum der Gebläsekontroll-Leuchte. |
Sehr leise ist das Auspuff- und Ansauggeräusch.
Wie soll man jedoch den Vergaser des Rollers "Berlin" individuell richtig
einstellen können, wenn man durch den Ansaugdämpferkasten nicht an den Vergaser
herankommt. Stellt man ohne Ansaugdämpfer ein, und mit Ansaugdämpfer geht es nicht bzw.
wird beinahe zur Lebensaufgabe. Am besten ist es also, den Vergaser, wenn notwendig, nach
Handbuchwerten einzustellen. Genaueres darüber steht in der Betriebsanweisung, die
übrigens neu aufgelegt werden sollte, denn die darin gezeigten Fotos stimmen nicht mit
einigen tatsächlichen Merkmalen des Rollers überein |
Mit diesen Handbuchwerten fährt man gar nicht so
schlecht. Die Höchstgeschwindigkeit wurde schon genannt. Der Verbrauch liegt bei wirklich
sehr flottem Fahren bei etwa 3,3 l/100 km Gemisch 1:25 Hyzet-Zweitaktöl/Kraftstoff rot.
Die Angaben des Werkes im Handbuch sind also ehrlich und dürfen wirklich für bare Münze
genommen werden. |
Vielleicht ist es notwendig, zum
Kraftstoffverbrauch noch folgende Feststellung zu treffen: Verschiedene SR-59-Besitzer
berichteten uns von Verbräuchen so um die 3 Liter herum. Ja, wir hörten sogar etwas von
2,8 l. Das wäre natürlich sehr günstig, aber durchaus nicht unwahrscheinlich. Wir
erklären uns jedenfalls bereit, jeden Motorroller "Berlin" mit einem Verbrauch
von 3 l/100 km zu fahren. |
Eine Randbemerkung noch: Wir würden abraten, mit
diesem Roller, dessen Verdichtung immerhin einen Wert von 8 erreicht, weißen Kraftstoff
zu fahren. |
Eigentlich wollen wir hier aufhören, nachdem wir
vor ganz kurzer Zeit zwei Rollerfahrerinnen sprachen, die mit ihrem neugekauften
"Berlin" von Weimar bis Berlin fuhren, ohne zu wissen, wie man eigentlich an die
Zündkerze herankommt, schien uns jede weitere Betrachtung über den Roller
"Berlin" etwas deplatziert. Da es aber bestimmt auch eine Vielzahl anderer
"Berlin" Fahrer und "Berlin" Interessenten gibt, nachfolgend eine
kurze technische Beschreibung des Rollers "Berlin". |
Das Hauptteil des Fahrgestells bildet ein
elektrisch geschweißter Zentralrohrrahmen, der sich nicht wesentlich von dem des Rollers
Wiesel unterscheidet, aber an einzelnen Punkten noch verstärkt wurde |
Vorn wird eine sogenannte Schwinghebelgabel
verwandt, die 110 mm (beim Wiesel waren es 100 mm) Federweg hat. Die aufgenommenen
Fahrbahnstöße werden von proportional wirkenden Spiralfedern abgefangen. Leider fehlt
hier ein Stoßdämpfer, so dass die abgedämpfte Federung das Vorderteil des Rollers
aufschaukelt. |
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Das Hinterrad ist mit der Trapezführung in einer
Schwinge gelagert. Die hintere Schwinge wurde am Zentralrohrrahmen vermittels eines
Drehstabes gelagert, durch einen hydraulischen Stoßdämpfer gedämpft und durch
ringähnliche Gummiformelemente gegen Durchschlagen gesichert. Das Vorderrad hängt mit
einer Normalachse in der mit Ausfallenden versehenen Schwinge, das Hinterrad ist mit einer
Steckachse befestigt. Beide Räder können rasch und ohne Schwierigkeiten gewechselt
werden. |
Der Motor in Monoblockausführung entspricht genau
dem der MZ 125, hat jedoch 150 cm3 Hubraum. Das zur Kühlung benötigte
Gebläse, auf Druck arbeitend, ist sehr leistungsfähig und ermöglicht es dem Motor,
stets im richtigen Wärmebereich zu arbeiten. Das Flügelrad wird durch einen Keilriemen
angetrieben, der seinerseits wiederum über eine Antriebsscheibe läuft, die auf dem
linken Kurbelwellenstumpf sitzt. Der Keilriemen lässt sich schnell, wenn auch nicht ohne
schmutzige Finger zu bekommen, wechseln. Ein Ersatzkeilriemen wird vom Werk im Werkzeugsatz
mitgeliefert. Rechts auf der Kurbelwelle sitzt die spannungsregelnde
Gleichstromlichtmaschine, die in ihrer Leistung auf 60/90 Watt verstärkt wurde. Diese
Lichtmaschine ist die für die gesamte Motorradindustrie entwickelte
Einheitslichtmaschine. |
Im Gegensatz zu dem Roller "Wiesel" ist
der Roller "Berlin" mit einem Viergang-Getriebe ausgerüstet, das sich -
abgesehen von der größeren Lebendigkeit dieses Fahrzeuges - besonders auf den
Kraftstoffverbrauch günstig auswirkt, weil unter allen Belastungen günstige Drehzahlen
eingehalten werden können. |
Der Vergaser N 241 der Berliner Vergaser-Fabrik ist
noch immer ein Flachschiebervergaser mit einem zusätzlichen Luftschieber als Starthilfe.
In absehbarer Zeit wird für den Roller "Berlin" ein Rundschieber-Vergaser zu
erwarten sein, der eine noch bessere Möglichkeit der Gemischbildung bietet und manchmal
auftretende Löcher im Teillastbereich vor allem bei raschem Beschleunigen ausschließen
wird. Dem Vergaser vorgeordnet ist ein Ansauggeräuschdämpfer mit Naßluftfiler. |
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Die Kraftübertragung vom Motor zum Getriebe und
von da zum Hinterrad erfolgt durch Ketten. Die Sekundärkette ist in Gummischläuche
verkapselt und dadurch besonders lange betriebsfähig. Die Schmierstellen des Rollers sind
gut zugänglich. Die Bremsen wurden unverändert vom "Wiesel" übernommen. Bei
richtigem, überlegtem Einsatz genügen sie den Ansprüchen der Rollerfahrer jederzeit. |
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Über einen Kardinalschaden, der bei unserem
Testroller ständig auftrat, schreiben wir deshalb nicht, weil wir wissen,
dass dies nur
bei den ersten 1000 Stück der Serie auftrat. Getriebeschwierigkeiten. Nur soviel dazu.
Wenn Vertragswerkstätten "Berlin" Besitzer, die wegen dieser Getriebeschäden
vorsprechen, mit den Bemerkungen wegschicken, das seien Schaltfehler des Fahrers, so haben
wir dafür absolut kein Verständnis. Solche Mängel müssen beseitigt werden. |
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Noch eine Bemerkung zu den Sitzen des
"Berlin". Sie sind zweifellos erheblich bequemer als die Sitzbank, haben aber
einen Nachteil. An Stelle der Schaumgummifüllung der ES-Motorräder haben die
"Berlin"-Sitze Federn, die man nach einer gewissen Laufleistung sehr deutlich
spürt. Bedingt durch die Federn findet man auch nicht den guten seitlichen Halt wie auf
ES-Sätteln. Zu beanstanden wäre noch der Platz des Reglers, dessen Schutzhaube man beim
Abnehmen und Aufsetzen der hinteren Verkleidung sehr leicht herunterreißt. Außerdem
brachen bei unserem Testroller die Kontaktfahnen für Brems- und Rücklicht an der
Verkleidungshaube ab, da ihr Material offensichtlich zu spröde war.
Nicht gefallen hat uns
ferner die sich ständig lösende Auspuffüberwurfmutter und der schwarze nicht verchromte
Auspuff, der bereits nach 3000 km einen Rostanflug zeigte. Nicht gefallen hat uns die
Scheinwerfereinstellung. Obwohl genügend weitreichendes und helles Licht da ist, liegt
der Lichtkegel zu hoch, und der Reflektor ist kaum nachstellbar. Das
muss geändert
werden. Als Stichwort dazu: MZ ES. |
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Unser Gesamturteil über den Motorroller
"Berlin" fällt trotz dieser oder jener Beanstandung sehr positiv aus. Der
"SR 59" bietet bei gleichem Preis wie der "SR 56" spürbar mehr als
sein Vorläufer. Der Roller "Berlin" wird, so glauben wir jetzt, nachdem wir ihn
einigermaßen kennen, so etwas wie eine neue Roller-Ära heraufbeschwören, weil es
sich tatsächlich lohnt, den Motorroller "Berlin" zu fahren. |
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