2. IWL - Zuverlässigkeitsfahrt 2011

Berlin - Prag - Wien

....Roll on again!
Vor 50 Jahren waren in Ost- wie in Westdeutschland kleine bunte Motorroller ein fester Bestandteil der Volksmotorisierung und solch legendäre Marken wie Heinkel, Zündapp und co. ermöglichten mit etwas Ausdauer und der nötigen Zeit die ersten Italienurlaube.
Auch in der DDR erhörte die Staatsführung den Ruf des Volkes nach einem „großen“ Motorroller und so wurden südlich von Berlin in Ludwigsfelde die beliebten Roller der Typen „Pitty“, „Wiesel“, „Berlin“ und „Troll“ gebaut. Allesamt mit bewährter Technik der jeweiligen MZ Typenreihen waren es robuste und einfach zu reparierende Konstruktionen mit einer zeitlos schönen und klassischen Linienführung.
Da damals 1960 noch keine Mauer den Weg in das westliche Ausland versperrte und auch der Osten zeigen wollte was er kann, entsendeten die Industriewerke Ludwigsfelde eine Abordnung von Rollerfahrern und dem aktuellen Modell, dem IWL SR 59 „Berlin“ zum Treffen der internationalen Motortouristen nach Baden bei Wien.
Diese Fahrt ist seit dem eine Legende unter den IWL- Rollerliebhabern der Neuzeit. Beim letzten großen Szenetreffen in der Geburtsstadt der inzwischen historischen Fahrzeuge im Jahre 2010 hielt der Rollerfachmann und Teilnehmer dieser Fahrt, Manfred Blumenthal, einen Lichtbildvortrag dieser Zuverlässigkeitsfahrt.
Kennt jemand die Energie die sprichwörtlich von einer „Initialzündung“ ausgehen kann? Nein? Einige Teilnehmer dieses Abends spürten sie sofort und spontan wurde noch am Biertisch beschlossen: Diese Fahrt wiederholen wir! Wir, das sind die Mitglieder des IWL- Motorrollerforums welches als Plattform rund um das gemeinsame Hobby geschaffen wurde. Natürlich war uns klar, das da eine Menge Vorarbeit zu leisten ist und auch leider nur eine sehr begrenzte Anzahl an Teilnehmern diese 2. IWL Zuverlässigkeitsfahrt mitmachen könnten, denn aus der Erfahrung der großen Treffen wusste man ganz genau was es bedeutet, wenn sich 120 zwei- taktende Roller in Bewegung setzen.
Es wurde fast ein Jahr lang konspirativ geplant, 7 Teilnehmer nebst 2 Begleitfahrzeugen auserkoren, Streckenplanungen ausgearbeitet, Ersatzteillisten erstellt ect. und dann nach 51 Jahren war es am 28.05.11 an gleicher Stelle soweit, das Abenteuer einer 1700 km langen Fahrt konnte beginnen. 7 Roller, ein VW T4 Bus und der Tradition folgend ein Kleinbus der Marke Barkas „B1000“ starteten Richtung Süden.
Als besonderes I-Tüpfelchen der Aktion hatte auch besagter Manfred Blumenthal mit seinen 73 Jahren seine Teilname am Berlin – Prag – Wien Racing auf eigenem Roller zugesagt, wofür ihm wohl großer Respekt gezollt werden sollte.
Die einzelnen Etappen waren auf ca. 200 – 250 km Tagestouren aufgeteilt, also eine machbare Sache. Wer nun denkt, Rollerfahrer, naja die sind eh etwas anders, der hat Recht: es bildete sich eine tolle Truppe heraus, die auch abends in den gemütlichen Tschechischen Gasthäusern oder österreichischen Heurigenschänken entsprechende Standfestigkeit bewies. Die Touren führten fernab der Autobahn durch herrliche Landstriche, es wurden Berge im 2. Gang bezwungen und an so manchem Gefälle die Bremsen zum Glühen gebracht. Unser aller Hoffnung bestätigte sich und wir sind ohne den kleinsten technischen Defekt in Baden bei Wien angekommen. Da das „Sitzfleisch“ bis auf das äußerste strapaziert wurde, nutzten wir den ersten Tag für eine Fahrt nach Wien, um uns den Massen asiatischer, digitalkamera-bewaffneter Touristen anzuschließen , zu Fuß diverse Muskelverspannungen zu lösen und den kulturellen Teil der Reise zu genießen.
Jedoch dauerte es nicht lange und die Roller wollten wieder benutzt werden. Also ging es am 2. Tag ganz der Tradition wie vor 51 Jahren folgend in Richtung Alpen zu einem Tagesausflug an den Schneeberg. Dies war dann wohl endgültig für jeden Rollerpiloten die Bestätigung „ ja wir haben es geschafft, mein Berliner vorm Alpenpanorama“ und ein gewisser und verdienter Stolz stand jedem ins Gesicht geschrieben.
Nach einem weiteren und sehr ausgiebigen Abend in einer dieser typischen österreichischen Weinschenken ging es nun Tags darauf wieder daran die Heimreise anzutreten, einfach gesagt „Heimreise“ bedeutet dies doch, dass nun die 2. Halbzeit des Abenteuers beginnt. Also wurden letzte Wartungsarbeiten durchgeführt, z.B. dem Unterbrecher Manieren beigebracht, zufällig entdeckte Zündkerzen mit falschem Wärmewert gegen die richtigen getauscht und so manches Nebengeräusch in die Kategorie „ unwichtig“ oder „weiterfahren und beobachten“ unterteilt. Die Rückfahrt führte die kleine Truppe tapferer Recken wieder durch die unendlichen Weiten Mähren und Böhmens. Unterwegs wurden kleine Landgasthöfe angesteuert, die in einer Zeitkapsel eingeschlossen schienen und überall am Wegesrand grüßten die Passanten stets freundlich.
Abendliche handwerkliche Einlagen wie der Tausch eines Motors wegen Schaltproblemen gerieten Dank ausreichender Mengen an gutem tschechischem Bier mit dem gewöhnungsbedürftigen Namen „Velko-popovický Kozel“ und erstklassiger Stimmung zu einer willkommenen Abwechslung.
Anderntags dann das totale Kontrastprogramm zur ländlichen Idylle, die Fahrt quer durch Prag im regen Feierabendverkehr. Die Roller lechzten nach 220 km Tagestour nach Ruhe, jedoch mussten sie noch 20 km lang diversen Kamikatzeangriffen Prager Autofahrern standhalten. So viel steht fest: Prag ist nicht nur ein heißes Pflaster, sondern dort wird auch ein heißer Reifen gefahren!
Da Rollerfahrer von Natur aus sich nur sehr ungern weiter als 2km zu Fuß bewegen, musste man schon einige Überredungskunst anwenden, um die Truppe zu einem Spaziergang entlang der Prager Sehenswürdigkeiten wie Hradschin oder der Karlsbrücke zu überreden. Sicherlich spielten hier auch die Anstrengungen der letzten Tage und die inzwischen vorgerückte Stunde eine Rolle.
Tags darauf war alles wieder beim alten, die Sonne schien, wie übrigens all die Tage zuvor, Prag lag hinter uns und die kleinen Zweitakter witterten Heimatluft und gaben sich ganz besondere Mühe. Da konnten auch eingefahrene Nägel und 7 km andauernde Steigungen sie nicht aufhalten, am Nachmittag verließen wir Tschechien um uns für den letzten gemeinsamen Abend in einer kleinen gemütlichen Pension im Erzgebirge einzunisten. Nun kam auch langsam die Wehmut auf, das Abenteuer neigte sich dem Ende und an diesem Abend fühlten sich fast alle genötigt, ihre Sentimentalität mit einer Runde Magenbitter zu bekämpfen, welche dann auch die nötige Bettschwere erzeugte.
Der letzte Tag brach an und man merkte an diesem Sonntag, das alle auch wieder froh waren nach Hause zu kommen und so wurde die letzte Etappe von 200 km in knapp 4 Stunden Fahrzeit bezwungen und jeder Roller erreichte auf eigener Achse Sonntagmittag das Ortseingangsschild von Ludwigsfelde.
Glück, Zufriedenheit, Müdigkeit und Stolz waren allen ins Gesicht geschrieben, die Strecke wurde ohne einen Totalausfall in 36 Stunden reiner Fahrzeit bewältigt und 10 von 12 neuen Helden der Szene verluden ihre zuverlässigen Zweiräder, um die Heimfahrt in alle Teile Deutschlands anzutreten.
Manfred aus Grossbeeren und Bert aus Berlin traten wie bei der Anreise auch die Heimreise auf eigener Achse mit ihren Rollern an.
(Bert´s Roller hatte nach der Tour 1772 km mehr auf dem Tacho)
Was bleibt nach so einer Tour? Viele neue Eindrücke, schöne Erinnerungen, Sonnenbrand und die Erfahrung: Auch nach 51 Jahren reichen 12“ Reifen, 143 ccm und 6,5 PS aus um die kleine große Freiheit zu „erfahren“.
Vielen herzlichen Dank an alle, die mitgeholfen haben, dieses kleine Träumchen wahr werden zu lassen und Finger weg vom Routenplaner,
Ludwigsfelde - St. Petersburg ist eine Strecke schon an die 1700 km!
Tourverlauf:
28.05. Ludwigsfelde nach Teplice über Dresden 241 km
29.05. Teplice nach Ždár nad Sázavou, nähe Brno 276 km
30.05 Ždár nad Sázavou nach Baden bei Wien 251 km
1.06. Ausfahrt zum Schneeberg unternommen 139 km
zurück
02.06. Baden nach Rosice 192 km
03.06. Rosice nach Prag 231 km
04.06. Prag nach Höckendorf (Osterzgebirge in Sachsen) 158 km
05.06. Ankunft Ludwigsfelde 212 km

   was die Presse schrieb

www.maerkischeallgemeine.de
30.05.2011 -Fans wiederholen Reise mit historischen, in Ludwigsfelde gebauten Zweirädern-
  www.oldtimer-motorrad-markt.de
                    - Roller-Tour für Hartgesottene -
   und was im Web ist und war:
  
          
  -hier Bericht im Teltowkanal  "vor dem Start"

   "IWL-Roller nach Wien aufgebrochen"

       gepostete Video in Facebook
  
           www.ludwigsfelde.de
      - hier auf Ludwigsfelde.de -

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Text: Dirk Reinert  Bilder : von den Teilnehmern der Tour

Copyright © www.iwl-stadtroller-berlin.de Stand: Juli 2011