"Der Deutsche Straßenverkehr" Februar 1963

Rätsel um den Troll-Test?

Liebe Redaktion! Als jahrelanger treuer Leser der Monatsschrift erwartete ich zum Jahresbeginn mit Spannung und voller Ungeduld die Januarausgabe. Ich erhoffte eine Vorstellung von Fahrzeugen, die neu in das Produktionsprogramm aufgenommen wurden bzw. an denen Verbesserungen zu verzeichnen sind. Ich denke hier an den „Troll 1“, an Verbesserungen der „Cezet“" oder an den Jawa-„Pionyr“ mit zweisitziger Bank usw. Auch aus Suhl hätte man ja einmal etwas hören müssen, sind doch die neuen Modelle seit Jahren angekündigt (im ND!). In der Monatsschrift „Jugend und Technik“ vom Januar 1963 fand ich dann zum Teil das Gesuchte. Es hat uns jedoch sehr befremdet, daß ein Fachorgan wie der „Deutsche Straßenverkehr“ nicht in der Lage ist, seine Leser pünktlich und umfassend zu informieren. In der „Jugend und Technik“ ist sogar ein kurzer Test vom „Troll“ abgedruckt ...
Mit der neuen MZ ES 125/150 war es ja ähnlich ...
Das ist ein Auszug aus einer Zuschrift unseres Lesers H.-J. Herbst, Köthen/Bez. Halle, Dessauer Straße 132, vom 12. 1. 1963. Er verband seine Kritik mit der Bitte: „Vielleicht kannst Du einmal in einem redaktionellen Artikel die Ursachen für diesen Zustand erklären.“
„Der Deutsche Straßenverkehr“ bemüht sich, seine Leser möglichst schnell und vor allen Dingen richtig zu informieren, Wir geben offen zu, daß uns an der Zuverlässigkeit der Informationen mehr gelegen ist als an der Schnelligkeit, denn eine frühzeitige aber nicht richtige Meldung führt zu Verärgerungen. Zur schnellen und richtigen Information gehört aber, daß die herstellenden Werke uns rechtzeitig und korrekt unterrichten
Natürlich hatten auch wir davon gehört, daß der VEB Industriewerke Ludwigsfelde einen neuen Motorroller entwickelte. Am 23. Februar 1962 schrieb uns der VEB IWL auf eine Anfrage. „Daß wir über unsere neue Rollertype noch keinerlei Informationen gegenüber Presse, Rundfunk usw. geben, wird Ihnen verständlich sein, da auch die Mitglieder Ihrer Redaktion mit uns einer Meinung sind, daß die Industrie erst dann mit Fakten in die Presse zu gehen hat, wenn der Produktionsanlauf feststeht und die Erzeugnisse dem Handel zur Verfügung gestellt werden ...
Selbstverständlich sichern wie Ihnen zu, zum gegebenen Zeitpunkt Sie über das neue Fahrzeug voll zu informieren, und wären Ihnen schon heute zu Dank verbunden, wenn Sie Gelegenheit nehmen würden, mit dem neuen Modell entsprechende Versuchsfahrten Ihrerseits durchzuführen, um einen entsprechenden Testbericht dann zu veröffentlichen.“
Am 22. 11. schrieb uns der Kundendienstleiter des VEB Industriewerke Ludwigsfelde, den wir erneut gebeten hatten, uns über den neuen Motorroller „Troll“ zu informieren, u. a.: „Der Kundendienst ist seit Jahren der Meinung, daß man in Zeitungen nicht früher etwas veröffentlichen soll, bis man dieses Erzeugnis tatsächlich auf den Markt bringt. Das ist nicht nur in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht notwendig, denn es können unseres Erachtens Terminverschiebungen stattfinden, die dann der Öffentlichkeit gegenüber nicht immer vertretbar sind, und zum anderen sind die noch vorhandenen Motorroller nicht mehr so gefragt, und man schädigt dadurch den Handel. Es lag in allen Zeitungsartikeln nicht an uns, und wir hatten gar keine Möglichkeit, diese zu verhindern, und wir sind auch heute noch nicht in der Lage, Ihnen das gewünschte Informationsmaterial zuzusenden, und möchten Sie bitten; Ihren Wunsch der Werkleitung vorzutragen.“ Zu der Zeit rollte allerdings schon der Kollege von „Jugend und Technik. auf einem Test-„Troll" durch die Gegend. Die Verzögerung in unserer Berichterstattung über die MZ 125/150 haben wir bereits erläutert. Hier lag eine vom Werk erteilte Sperrfrist vor, an die wir uns im Gegensatz zu zwei anderen Zeitschriften gehalten haben.
Wir können unseren Lesern verraten, daß wir auch eine Neuschöpfung aus Suhl bereits gesehen haben. Allerdings erhielten wir die Gelegenheit dazu nicht vom Herstellerwerk. Uns ist auch bekannt, daß sich bei unseren tschechoslowakischen Freunden in bezug auf den Skoda etwas tut. Doch dem Wunsch der Tschechoslowakischen Handelsabteilung in Berlin, darüber noch nicht zu berichten, glaubten wir entsprechen zu sollen.
Soviel zur Beantwortung der Anfrage des Herrn Herbst. Die Schlußfolgerungen sind klar. Die Werke unserer Automobilindustrie müssen endlich begreifen, daß sie gegenüber der Öffentlichkeit eine Verpflichtung haben, die Verpflichtung nämlich, Sie rechtzeitig und umfassend zu informieren. Genau vor einem Jahr, in der Februarausgabe, haben wir uns unter dem Titel „Werbung klein geschrieben" mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Damals hieß es bei uns, Werbung, um den Absatz zu erhöhen, ist überflüssig, Werbung aber, um unsere Bürger mit den guten Leistungen des Fahrzeugbaues bekannt zu machen, ist politisch notwendig." Das gilt heute noch genauso wie vor einem Jahr, und genauso richtig ist auch die Kritik, die wir damals an den Werken übten. Wenn sich dieser selbstverständliche Grundsatz in den Werbe- und Absatzabteilungen der volkseigenen Fahrzeugindustrie nicht durchsetzt, werden wir prüfen müssen, in welchem Umfang wir private Informationen über Neuentwicklungen veröffentlichen. Ein Mangel daran besteht jedenfalls in unserer Redaktion nicht

Quelle;   Zeitschrift- Der Deutsche Straßenverkehr / Archiv: Bert N.

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Stand: Februar 2009