maerkischeallgemeine.de vom 08.08.2008

ROLLERTREFF: Vom Fremdgehen und von Flatterdingern

„Pitty“-Testfahrer Auchter kann erzählen ohne Ende

LUDWIGSFELDE - Der Motorenfan und Roller-Testfahrer Horst Auchter fuhr 1953 den ersten in Ludwigsfelde hergestellten „Pitty“. Doch er hat tatsächlich keinen im Industriewerk produzierten Motorroller mehr auf seinem Grundstück – keinen „Pitty“ und keinen „Wiesel“, keinen „Berlin“ und keinen „Troll“. Und das, obwohl Auchter alle bisherigen elf Rollertreffen in Ludwigsfelde miterlebte. Nächstes Wochenende, zum Jubiläumstreff 50 Jahre nach dem ersten, wird er wieder mitfahren – auf einem Quad.

Der 80-Jährige schließt den Schuppen auf: Da steht das Gefährt. Mit Plaketten bisheriger Rollertreffen, mit angebautem Gepäckträger, selbstgebasteltem Mitfahrsack und eigener Windschutzscheibe für Hündin Bine. Geht es auf Fahrt, bekommt sie die Hunde-Motorradbrille aufgesetzt . . .

In der Garage steht ein Geländewagen. Damit der dort hineinpasste, wo früher ein F 9 stand, musste Horst Auchter den Eisenträger überm Tor rausnehmen. In einer anderen Werkstatt steht eine uralte DDR-Küchenmaschine „Komet“; die macht er gerade wieder flott, weil der Handel nicht anbietet, was der rüstige Rentner sucht. Ob in der Laube oder im Schuppen, in der Garage oder im Haus – überall hat der Mann Werkbänke, Maschinen und Schraubstöcke. Und jede Menge Ufos – unvollendete Objekte.

Der Werkzeugdreher kam 1953 nach Ludwigsfelde. Der Thüringer war begeisterter Motorradfahrer, fuhr erfolgreich Wettkämpfe. Seinen ersten Wettkampf für das Ludwigsfelder Industriewerk auf einem „Lux“, dem „Wiesel“-Vorläufer, musste er „unter falscher Flagge fahren, sozusagen Fremdgehen“, wie er sagt. „Ich startete für die BSG Motor Sömmerda. Hätte ich nicht gewonnen, wäre das für Ludwigsfelde nicht so schlimm gewesen.“ Doch er gewann und bekam als Sieger einen dunkelgrünen Ledermantel, „den habe ich heute noch“, erzählt Horst Auchter.

Und dann kommt zu den Fotos in diversen Alben eine Geschichte nach der anderen: Die von der Kugellager-Panne bei Michendorf un die den Einfahrern: Eis und Schnee bei minus 27 Grad. Einfahrer? „Na ja, alle Motorroller, die damals verkauft wurden, mussten vorher zehn Kilometer gefahren werden, damit man die Fehler erkannte.“

Den Roller „Berlin“, den liebte Horst Auchter. „Warum die den nicht weiterproduziert haben, weiß ich überhaupt nicht. Der hatte vier Gänge, der lief gut – der fuhr sich klasse.“

Auch sein Sohn hätte heute am liebsten einen „Berlin“. „Aber die sind ja so teuer geworden“, sagt der Rentner. Und schimpft auf den Nachfolger „Troll“, das „Schaukelding“, wie er sagt. Dem „Flatterroller“ hatten sie damals eine Flatterbremse einbauen müssen, so unsicher fuhr der sich. „Das war für mich einfach kein Motorroller.“

Info Das 12. Rollertreffen in Ludwigsfelde – 50 Jahre nach dem ersten 1958 – findet vom 15. bis 17. August statt. Informationen zum Ablauf unter (0378) 827119 und im Internet unter www.ludwigsfelde.de. (Von Jutta Abromeit)

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