Soeben bin ich von einer Probefahrt
zurückgekommen. Er ist also da, er, von dem man schon hier und da munkeln hörte. Von wem
ich spreche, wollen Sie wissen? Nun ja, vom "Berlin", dem neuen Motorroller, der
von jetzt an die Straßen unserer Republik bevölkern wird. Der VEB Industriewerke
Ludwigsfelde zeichnet für die Konstruktion des "Berlin" verantwortlich und hat
so mit glücklicher Hand seine Rollerentwicklung fortgesetzt. |
Stoßen Sie sich nicht an dem Namen, ich habe ihn
nicht gemacht. So schlecht ist er auch gar nicht. Wenn die Eisenacher ihren Wagen nach
einer Burg benennen, warum sollen dann die Ludwigsfelder nicht den Namen ihres neuen
Rollers von unserer deutschen Hauptstadt ableiten? Sicher, man hätte auch die Bezeichnung
"Wiesel" lassen und mit einem Zusatz versehen können (vielleicht "Wiesel
II" oder "Wiesel 59" usw.), aber jetzt ist der "Berlin" geboren,
und wir sollten uns damit abfinden. Ich möchte annehmen, dass auch dieser Name bzw. das,
was sich dahinter verbirgt, bald allgemeine Anerkennung finden wird. - Meine
"Wieselableitungen" stammen übrigens nicht von ungefähr; wenn man so flüchtig
hinblickt, ist es nämlich ein "Wiesel" geblieben. Wenn man den
"SR-59", wie die Typbezeichnung lautet, allerdings genauer unter die Lupe nimmt,
dann sieht man einige Veränderungen. Wenn man unter die Haube blickt, sieht man mehr, und
wenn man ihn fährt, spürt man noch mehr. Lassen Sie mich mit der Schilderung des
letzteren beginnen. |
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Inhaltsreiche Kilometer |
Es war reiner Zufall, dass ich an einem Tag nach
Ludwigsfelde kam, als man dort gerade dabei war, die Streckenführung für ein
Roller-Trial festzulegen. Wenn man als erster Presse-Vertreter das Glück hat, die sorgsam
gehütete Neuschöpfung just zu diesem Zeitpunkt in die Hände zu bekommen, dann ist es
schon kein Zufall mehr, dass man sogleich gebeten wird, die Strecke abzufahren. So erging
es mir also. Die Kollegen des Industriewerkes gaben mir einen "Berlin", zeigten
recht genau den Verlauf des Trials und warteten auf die Dinge, die dann von meiner Seite
kommen sollten. Da ich, ehrlich gesagt, genauso gespannt war wie sie, wollte ich unsere
Ungeduld nicht auf eine so harte Probe stellen, startete und gab Gas. |
Was dann kam, überstieg zwar kaum meine
Erwartungen, war aber doch so, dass die Kollegen sich hinterher einigten, die für ihre
Solidarität bekannten Rollerfahrer nicht ganz so harten Bedingungen aussetzen zu wollen.
Schließlich ist das Wort "absteigen" ein Aktivum, und niemand hat es gern, wenn
daraus mit einem Schwupp ein Passivum wird. Das ich dieses Wort überhaupt nicht
gebrauchen musste, war vor allem das Verdienst des "Berlin". Die ausgezeichnete
Straßenlage des "Wiesel" ist hinreichend bekannt. Beim SR-59 ist sie nicht
schlechter geworden, denn in seinem Grundaufbau gleicht er ja seinem Vorgänger. Was sich
aber gerade im welligen Gelände, also bei Bodenunebenheiten, bemerkbar macht, das ist
einmal der um 50 Prozent erweiterte Federweg des Vorderrades, der demnach jetzt 110 mm
beträgt. Gleichfalls stellt man mit Freuden fest, dass sich auch hinten etwas geändert
hat. Gerade bei der Durchfahrt von Straßenlöchern habe ich in der Vergangenheit oftmals
bemerkt, dass der "Wiesel" hart durchschlagen konnte. Im Industriewerk hat man
nun in die Parallelogrammfederung des Hinterrades einen Stoßdämpfer eingezogen, der
spürbare Wirkung ausübt. |
Am wichtigsten erscheint mir aber das Temperament.
Ja, der neue Roller ist entschieden temperamentvoller als der "Wiesel". Zwei
Dinge sind es, die dieses Temperament verbürgen. Einmal die aus dem höheren Hubraum
stammende größere Leistung und zum anderen das Vierganggetriebe, das naturgemäß
günstigere Gangabstufungen ermöglicht als ein Dreiganggetriebe. Doch davon später. |
Selbstverständlich habe ich am ersten Tag meiner
Bekanntschaft noch mehr gemacht als lediglich gewaltiges Gelände zu durchfahren. die
Trialstrecke war nur eine Kostprobe. Auf Autobahn, Landstraßen und örtlichem
"Bonbonpflaster" habe ich mich anschließend über viele Kilometer mit dem
"Berlin" herumgetrieben. Dabei hat sich mein erster Eindruck nur verstärkt. Die
Federungseigenschaften sind ausgezeichnet, sie werden aber meinen Erachtens noch durch die
Schaumgummisitze nach dem Muster der zschopauer ES-Typen verstärkt. Dass ich beim
ausgesprochenen Waschbrettchausseen ins springen kam., liegt nicht am Roller, sondern
vielmehr daran, dass ich ein Leichtgewicht darstellte. Da der Roller stets in seiner Spur
blieb, war es offensichtlich mehr ein Sitzfeder-Springen. |
Spreche ich von Geschwindigkeit, so kann ich mich
ebenfalls befriedigend äußern. Außer an der Stelle wo es notwendig war, bin ich kaum
einmal unter 75 km/h gegangen. Auf der Autobahn wurden aber gute 80 km/h erreicht, so
dass
wohl auch von dieser Seite her das Temperament bewiesen ist. Dass Kollegen des
Ludwigsfelder Werkes mit zwei Personen liegend 90 km/h erreichten, erscheint mir nach
meinem Eindruck als durchaus glaubhaft. Bleibt noch zu erwähnen, dass die
Geräuschentwicklung sich positiv verändert hat. Die von den schon genannten
ES-Motorrädern abgeleiteten Auspuffanlagen wie auch neue Ansauggeräuschdämpfung sind
auch für den Unkundigen sofort spürbar. |
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Blick unter die Haube.... |
und viele Details
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Mag die kurze Fahrschilderung als Charakteristik
des neuen Fahrzeuges gelten. - Weit oben beschrieb ich schon, dass einige Veränderungen
am "SR 59 Berlin" gegenüber dem "SR 56 Wiesel" festzustellen sind.
Da ist zunächst, geht man einmal von vorn nach hinten, das Armaturenbrett zu nennen. Es
ist bei gleichgebliebener äußeren Gestalt inhaltlicher geworden. Links ist, wie auch
zuvor, das Zündschloss. Es wurde, wie bei unseren Motorrädern üblich, mit einem
Abdeckschieber versehen. Somit kann bei abgestelltem Fahrzeug kein Regenwasser mehr
eindringen. Rechtsseitig ist das Tachometer in allbekannter Art und Größe. Zwischen
beiden Armaturen hat nun das Platz gefunden, was bestimmt schon von allen
"Pitty"- und "Wiesel"-Fahrern vermisst wurde, das Lenkerschloss.
Damit ist nun der Roller gegen Diebstahl bzw. unbefugtes Benutzen umfassend gesichert. -
Zu beiden Seiten des Armaturenbretts wurden je zwei Kontrolllampen symmetrisch angeordnet.
Während drei davon zur Ladekontrolle, Leerlauf- und Gebläse-Kontrolle dienen, handelt es
sich bei der vierten um eine Blindlampe. Je nach Bedarf kann diese Lampe zum
Anschluss
einer Fernlicht- oder Blinker-Kontrolle herangezogen werden. Soviel dazu. |
Das nächste, was auffällt, ist die Sitzanordnung.
Hier wurden zwei Einzelkissen, so wie sie von MZ verwendet werden, auf einen durchgehenden
Rahmen montiert. Dieser Rahmen, besser gesagt, diese Rahmenplatte ist ab
klappbar und
ermöglicht den Zugriff zu Werkzeugbehälter und Kraftstoff- Einfüllstutzen. Damit auch
hier eine Diebstahlsicherung, die bisher immer wieder gefordert wurde, vorhanden ist,
macht man die ganze Anordnung verschließbar. Dass dazu der gleiche Schlüssel wie für
das Lenkerschloss dient, sei nur am Rande vermerkt. Ebenfalls, allerdings recht dankbar,
sei vermerkt, dass die seitliche Abdeckplatte für Benzinhahn und Schwimmergehäuse jetzt
nicht mehr verschlossen wird, sondern nur noch einen Schnapper trägt. Wer einmal beim
Wiesel den Schlüssel vergaß, und dann auf Reserve umschalten wollte, kann den Vorteil
gut einschätzen |
Öffnen wir einmal die Haube, um zu sehen, was es
darunter neues gibt. Die erste Neuigkeit ist der veränderte Haubenträger. Die Haube
liegt jetzt vorn am Bodenbrett und hinten rückwärts vom Kraftstoffbehälter auf. An eben
diesen Stellen wird sie auch verschraubt. Die neue Anordnung hat zwar den kleinen
Nachteil, dass die hinteren beiden Schrauben unter dem Reserverad schwerer zugänglich
sind, aber den Vorteil, dass endlich das Einfädeln der seitlichen Befestigungsschrauben
aufgehört hat. Da das zur gleichen Zeit auch eine Stelle ständiger Rostbildung war, ist
also die Verlegung der Haubenbefestigung vollauf berechtigt. Von der Federung habe ich
schon einiges berichtet. Es sei an dieser Stelle noch einmal betont,
dass die vom
"Wiesel" her bekannte Parallelogrammschwinge linksseitig einen Stoßdämpfer
erhalten halt. Was noch nicht gesagt wurde, ist, dass die beidseitigen Gummidämpfer, die
in ihrer Wirksamkeit bisher nicht ausreichten, ringförmig vergrößert wurden und bereits
im unbelasteten Zustand auf der oberen Schwinggabel aufliegen. Sie schwingen als auf- und
abwärts in gleichem Maße mit und geben dadurch eine zusätzliche Dämpfung ab. Soweit
das, was auf den ersten Blick unter der Motorhaube auffällt. Was man nicht sehen kann,
aber was sich mittlerweile schnell herumgesprochen hat, ist die Vergrößerung von Hubraum
und Leistung des neuen Rollers. Auf der Grundlage des bekannten MZ-125-Motors wurde durch
neuen Kolben und Zylinder der Hubraum vergrößert. Bei einem Hub von 58 mm und einer
Bohrung von 56 mm beträgt der Hubraum 143 ccm. Unter einer Verdichtung von 7,75 : 1 gibt
dieser Motor eine Höchstleistung von 7,5 PS bei 5100 U/min ab. Es ist demnach real, mit
einer Dauerleistung von 6,5 PS bei 4000 U/min zu rechnen. Es ist klar,
dass diese Leistung
gegenüber der des Wiesel eine bedeutsame Steigerung darstellt. Hinzu kommt,
dass nunmehr
ein Vierganggetriebe zum Einbau kam. Mit den Abstufungen
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1. Gang 18,4 : 1 |
3. Gang 7,73 : 1 |
2. Gang 10,8 : 1 |
4. Gang 6,02 : 1 |
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wurde ein allen Gegebenheiten Rechnung tragendes
Getriebe geschaffen. Geschaltet wird auch beim Berlin wie bei seinem Vorgänger durch
einen einfachen Fußhebel, der durch Zurückziehen zum ersten Gang und nach-vorn-Schieben
zum zweiten, dritten und vierten Gang betätigt wird. Wenn auch viele Leute eine
sogenannte Schaltwippe fordern, so ist mir doch kein Fall bekannt, wo die hier zum Einbau
gekommene Schaltanlage irgendwie von Nachteil gewesen wäre! Gewiss, man hat in der ersten
Zeit schon seine Mühe und Not, um den Leerlauf hineinzukommen, aber schwierig ist es im
Grunde genommen nicht. So viel zu Schaltung und Getriebe. |
Sehen wir uns nun aber unter der Motorhaube weiter
um. Da ist zunächst einmal, um an der linken Seite zu bleiben, das Lüfterrad des
Gebläses, dessen Tunnel einen Formgummiaufsatz erhielt, um die Frischluft nur noch von
außen durch die seitlichen Schlitze in der Haube anzusaugen. Sehr wichtig ist bei einem
Gebläse auch die Kontrollmöglichkeit. Damit war es beim Wiesel nicht allzu gut bestellt.
Die kleine Klappe, die durch den Luftstrom des Gebläses angehoben wurde, zeigte des
Öfteren Klemmneigungen und gab damit keine garantierte Kontrolle für das einwandfreie
Arbeiten des Kühlgebläses. Die neuen Gebläsekontrollanlage, die auf dem Prinzip des
Fliehkraftreglers beruht, schaltet endgültig diese Fehlerquelle aus und arbeitet unter
allen Klima- und Geländebedingungen einwandfrei. |
Sprach ich soeben von dem Formgummi am Gebläse, so
hat dieser noch einen Gegenpol, der ebenfalls zu erwähnen wäre. Es ist ein Aufsatz auf
dem Naßluftfiler, der wiederum die Frischluftzufuhr durch seitliche Schlitze in der
Motorhaube sichert. Es ist verständlich, dass alle diese kleinen Dinge recht bedeutsam
sind. So kann man mit der Weiterentwicklung des Wiesels, wollte sagen mit dem Roller
Berlin, durchaus zufrieden sein. Was das Bild noch abrunden mag, sind einige
Leistungsdaten. Der Roller hat im, ersten Gang ein Steigvermögen von 33 Prozent, er
erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h, was aber nach meinen Erfahrungen eher zu
niedrig als zu hoch gegriffen ist. Als Kraftstoffnormverbrauch wurden vom Werk 2,8l/100 km
ermittelt. Bei einer Dauergeschwindigkeit von 60 km/h wird man mit einen Verbrauch von 3,2
l/100 km, das ist meine private Messung, rechnen müssen |
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Bliebe nur noch zu sagen, dass das neue Fahrzeug
mit seinen vielen Verbesserungen zum alten Preis des Wiesels im Handel erhältlich ist. |
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